Die Gallier aus dem Parlament

Die Gallier aus dem Parlament

Die Freien Wähler sind die jüngste Partei in der Bischofsheimer Kommunalpolitik. Vom Partykeller aus planen sie die Rebellion gegen Bürgermeisterin Ulrike Steinbach.

Eigentlich ist der Oppositionsführer in der Bischofsheimer Gemeindevertretung der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion, also Helmut Schmid von der CDU. Was die Heftigkeit der Attacken betrifft, wird dieser jedoch klar in den Schatten gestellt von Professor Wolfgang Schreiber, dem Vorsitzenden der kleinsten Bischofsheimer Fraktion, den Freien Wählern. Er wird seine Partei auch in den kommenden Kommunalwahlkampf führen.

„Ich wollte nie in eine Partei“, räumt Schreiber ein. „Eigentlich hatte ich mit der Politik nichts am Hut.“ Der Auslöser für sein politisches Engagement war die gescheiterte Aufwertung der Mittelgasse, in der er seit 2003 lebt. „Aus reinem Parteikalkül“ sei diese von der Gemeindevertretung abgelehnt worden, ärgert er sich heute noch. „Das hatte mit der Sache nichts zu tun.“

Angriff auf das Rathaus

Der damalige Bürgermeister Reinhard Bersch, selbst ein Parteiloser, hatte ihn auf Klaus Zahn aufmerksam gemacht, der die Gründung einer neuen Partei plante. Die beiden trafen sich, verstanden sich auf Anhieb, und seit 2005 sind sie die Gesichter der Freien Wähler.

Schreiber ist Professor für Architektur an der Hochschule Kaiserslautern. „Meine Spezialität ist die Projektsteuerung im Bau- und Gebäudemanagement. Also all das, was in der Gemeinde nicht getan wird.“ Schreiber versteht es, jeden Satz in einen kleinen Angriff auf das Rathaus münden zu lassen. Vor und nach ihren Sitzungen treffen die Freien Wähler sich gerne in Klaus Zahns Partykeller. Direkt um die Ecke vom Rathaus hat dieser sich hier eine kleine, private Kneipe eingerichtet – mit Holzvertäfelung, Theke und allem, was dazu gehört. Wenn die Freien Wähler von hier aus die Bischofsheimer Politik betrachten, erinnern sie schnell an die widerspenstigen Gallier der Asterix-Comics. Deren Gegner sind bekanntermaßen die Römer, bei den Freien Wählern heißt dieser Gegner Rot-Grün, und was für die Gallier Julius Cäsar ist, dass ist für die Freien Wähler Bürgermeisterin Ulrike Steinbach.

„Man braucht einen langen Atem, Kraft und Energie, um dem Ochsen immer wieder ins Horn zu petzen“, beschreibt Schreiber seinen Kampf im Parlament. „Wir machen viele Vorschläge im Parlament, doch die verschallen scheinbar ungehört.“ Hinterher sehe es dann so aus, als hätten SPD und GALB alles alleine gemacht, klagt er. „Einer unserer ersten Anträge überhaupt war die Forderung nach einem langfristigen Masterplan. Wo soll es hingehen mit der Gemeinde? Es gibt keinen städtebaulichen Entwicklungsplan, keine Übersicht über den Zustand von Straßen und Gebäuden. Das wurde damals von SPD und GALB abgeschmettert. Heute fordern die Grünen etwas ganz Ähnliches.“

Der Kardinalsfehler von Rot-Grün sei es gewesen, nicht unter den Schutzschirm zu gehen, urteilt Zahn. „Das sehen mittlerweile ja selbst die Grünen so“, ergänzt der zweite Vorsitzende Hubert Schmitt.

„Wir haben Bauten wie die Pekingbrücke oder den Eisenbahnsteg, die uns Geld gekostet haben und die danach Jahrzehnte nie gepflegt worden sind. Jetzt kommen sie weg“, ärgert sich Schreiber. „Das spiegelt die Einstellung wider. Bei der Regierungsmehrheit gibt es kein Gefühl dafür, dass Bischofsheim durch die Bahn eine zweigeteilte Gemeinde ist.“ Da seien die Brücken wichtig, betont er. „2017 soll die Autobrücke am Bahnhof für ein Jahr geschlossen werden. Weil es keinen Entwicklungsplan gibt, wurde versäumt, in der Böcklersiedlung Einkaufsmöglichkeiten zu schaffen. Alte Leute mit Rollatoren kommen aus der Böcklersiedlung doch bald gar nicht mehr raus.“

Statt klar zu kommunizieren, würde Steinbach ihnen vieles verheimlichen, klagen die Freien Wähler. „So entstehen Gerüchte“, mahnt Zahn, und Schreiber ergänzt: „Was mich am meisten aufregt, ist, dass sie sich öffentlich immer nur als ausführende Instanz hinstellt. Sie verwaltet nur und nutzt die Kreativpotenziale ihres Amts nicht. Das finde ich erbärmlich für eine Bürgermeisterin.“

Was die Freien Wähler auch mit den Galliern eint: Frauen spielen in ihrer Mannschaft keine große Rolle. In der ausgehenden Wahlperiode war die fünfköpfige BFW-Fraktion die einzige rein männlich besetzte Fraktion. Auf der Liste zur Wahl steht mit Ute Rothenburger die erste Frau auf Platz neun. „Bei uns zählen Leistung, Interesse und Engagement“, erklärt Klaus Zahn das Geschlechterverhältnis. „Diese ganze Quotengeschichte können Sie in die Tonne treten.“

Von JAN STICH
Link zum original Artikel des Rüsselsheimer Echos